Transkulturelle Automatismen – Transkulturelle Kompetenz

Almir Ibrić | Eines Tages, an einem Strand des Atlantischen Ozeans irgendwo in Europa, findet ein Fischer einen ungewöhnlich bunt leuchtenden Fisch, der ihn ansprach: „Lieber Fischer, wenn du mich wieder zurück ins Meer wirfst, werde ich dir zwei Wünsche erfüllen, denn ich habe die Macht dazu!“. Der Fischer, zunächst erstaunt über die Tatsache, dass ein Fisch zu ihm sprach, kam langsam zu sich und willigte ein. Er hob den Fisch auf und warf ihn ins Meer zurück. Der Fisch fragte nun, welche Wünsche er habe. Der Fischer überlegt länger und sagte dann: „Der erste Wunsch ist eine feste Autobahnbrücke von diesem Strand nach New York, da ich schon immer Amerika sehen wollte, aber unter Klaustrophobie leide und einen mehrere Stunden langen Flug nicht aushalten kann. Außerdem wäre das eine unglaublich wertvolle Verbindung zweier Kontinente. Ein Traum würde für Millionen von Menschen wahr werden. Menschen, Kulturen, Nationen würden sich näher kommen“. „So eine Brücke zu bauen, ist für mich nicht möglich, vor allem weil der Boden sandig ist und der Wasserdruck auf die Tragsäulen der Brücke zu stark wäre. Das wiederum wäre ein zu großes Risiko für die Reisenden, Menschenleben wären in Gefahr. Es ist ein Ding der Unmöglichkeit. Sag mir lieber deinen zweiten Wunsch“, sagte der Fisch. „Gut“, erwiderte Fischer, „Ich wollte schon immer die Menschen verstehen. Wie sie funktionieren, warum die Menschlichkeit auf der Erde fehlt, obwohl es so viele Menschen auf dem Planeten gibt. Warum tun sich die Menschen seit Jahrtausenden die Kriege an, warum fehlen so oft die Liebe und das Gute. Das will ich verstehen“. Der Fisch darauf:“ Wie viele Autobahnspuren soll die Brücke haben?“

Dieser Witz soll die Komplexität des Menschen anschaulich machen und gleichzeitig auf den Grund der Beschäftigung mit transkulturellen Automatismentranskultureller Philosophie und transkultureller Kompetenz einführend hinweisen: wozu ist die Beschäftigung damit gut? Vielleicht damit die Menschen ihre Wahrnehmungen und ihre Handlungen besser verstehen und ihre Begegnungen, ihre Kommunikation und ihre diesbezügliche Handlungssicherheit optimieren? Die hier vorgestellte transkulturelle Philosophie kann zwar nicht mit Endgültigkeit und Perfektion die Antworten auf die hier gestellten Fragen bieten, jedoch eventuell zum Perspektivenwechsel und zur Selbstanalyse der transkulturellen Automatismen animieren, neue Möglichkeiten aufzeigen und die existenten Horizonte erweitern.

Transkulturelle Automatismen: Alles bewegt sich, alles verändert sich – ständig

Nichts im Raum und Zeit ist statisch. Alles bewegt sich ständig, alles verändert sich unwiederbringlich. Somit auch der Mensch. Der Mensch ist ein komplexes Wesen. Seine Wahrnehmung vom Dasein, von Raum und Zeit, seine Denk-, Kommunikation-, und Handlungsweisen drücken sich durch seine transkulturellen Automatismen aus. Diese gründen und bilden sich abhängig von Ort und Zeit, wo ein Mensch geboren wurde/wird, vom Geschlecht, von physischer und psychischer Verfassung, von der ethnischen Zugehörigkeit und diesbezüglichen Diversität (z.B. Hautfarbe), von der Erstsprache, die gelernt wird, von der Erziehung, die der Mensch im Laufe des Lebens erfährt, von der Tradition in der die Person aufwächst und die gelernt wird, von der Religion die einem im Laufe des Lebens vermittelt wird oder für die man sich selbst, in der späteren Phase des Lebens entscheidet, von der Kultur, die man lernt, von der sexueller Orientierung, von den wirtschaftlich-politisch-historischen Zusammenhängen in die die Person geboren wurde und in denen diese lebt/handelt, Umweltfaktoren, von Qualität und Quantität der Wissensaneignung, von persönlicher Bildung und Fortbildung, sowie Handlung und Möglichkeit der persönlichen Entwicklung und komplexen Netzwerk der Erfahrungen und feinen Subfaktoren, die sich ständig und fortlaufend gegenseitig beeinflussen. Diese antistatische und für Menschen einzigartige Wahrnehmung von Raum und Zeit, Denk- Kommunikation- und Handlungsweisen bezeichne ich als transkulturelle Automatismen.

Dieser Artikel basiert auf der Arbeit des Autors Almir Ibrić: Transkulturelle Automatismen. Philosophie-Kompetenz-Methoden, Lit Verlag, Wien 2020.

Dr. Almir Ibrić ist Philosoph und Autor aus Wien. Er lehrt an verschiedenen Bildungseinrichtungen im Bereich der Philosophie-, Religions- und Sozialwissenschaften sowie des Integrations- und Diversitätsmanagements; E-mail: almir.ibric@gmx.at.

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